Nice to e-meet you: pannenfrei durch Video-Vorstellungsgespräche
Digitale Bewerbungsverfahren sind während der Corona-Pandemie quasi über Nacht zum Standard geworden. Sie haben ihre ganz eigenen Vor- und Nachteile – und Fallstricke. Doch mit ein paar Tricks und guter Vorbereitung kann man diese vermeiden.
Vorbereiten – analog und digital
Wie vor jedem wichtigen Gespräch heißt es erst einmal: Hausaufgaben machen. Die wichtigsten Eckdaten zum Unternehmen sollte man kennen (Unternehmensgröße und -geschichte, Meilensteine, Struktur, wichtige Märkte, Branchen und Zielgruppen), idealerweise auch zwei bis drei Cases oder Produkte. Notieren Sie sich beim Einlesen Fragen, die Sie später im Gespräch stellen können. Kleiner Vorteil bei Video-Calls: Man kann sich einen Spickzettel zurechtlegen und ab und an zu Hilfe nehmen. Unauffällig, versteht sich. Wichtig ist außerdem, sich über die Gesprächspartner zu informieren – und im Hinterkopf zu behalten, dass diese Sie höchstwahrscheinlich ebenfalls recherchieren. Bringen Sie Ihre öffentlich sichtbaren Profile und Online-Präsenzen also auf Vordermann. Gleiches gilt für Ihr Hintergrund-Setting: Wäscheberge, das halbe Marmeladenbrot von heute morgen oder Poster der Lieblingsband sollten nicht im Bild sein, ebensowenig Familien- und WG-Mitglieder oder Haustiere. Stimmen sie den Termin mit allen zwei- und vierbeinigen Mitbewohnern ab, schließen Sie die Tür, und machen Sie die Fenster zu. Schalten Sie Störgeräusche so gut es geht aus und stellen Sie Ihr Mikrofon ggf. stumm, wenn Sie nicht selbst sprechen.
Die Technik testen
Eigentlich ein no-brainer: Die Technik sollte einwandfrei laufen. Machen Sie sich mit der Software vertraut, über die das Gespräch stattfindet und installieren Sie ggf. Updates. Das mit Abstand meist genutzte Tool ist übrigens Microsoft Teams, gefolgt von Skype und Zoom. Prüfen Sie in einem Probe-Call mit Freunden oder Bekannten, ob Ihr Mikrofon bzw. Headset funktioniert und Sie gut verständlich sind. Beenden Sie alle Programme und Apps, die für das Interview nicht relevant sind, deaktivieren Sie Benachrichtigungen und legen Sie Ihr Smartphone beiseite. So schließen Sie Ablenkungen aus und sind voll konzentriert bei der Sache.
Die Optik optimieren
Bild und Licht sind das A und O bei Videocalls. Die Kamera sollte so positioniert sein, dass Sie Ihrem Interviewer auf Augenhöhe begegnen - im wahrsten Sinne des Wortes. Vermeiden Sie, dass Ihr Gegenüber auf Sie herab oder zu Ihnen herauf schaut, indem Sie Laptop oder Webcam etwa auf der Höhe Ihrer Nase platzieren und mindestens 50 cm Abstand zur Kamera haben. Wer keinen Laptopständer hat, kann sich mit einem Bücherstapel oder Karton behelfen. Das Licht sollte idealerweise weich und frontal auf Ihr Gesicht fallen. Je nach Tageszeit kann grelles Sonnenlicht zum Störfaktor werden: Einerseits erzeugt es unvorteilhafte Schlagschatten, andererseits kann nicht jede Kamera die starken Kontraste gut darstellen. In diesem Fall helfen Vorhänge oder Jalousien. Als Kür können Sie außerdem Ihren Bildausschnitt optimieren. Behalten Sie dafür den Goldenen Schnitt im Hinterkopf und suchen Sie nach visuellen Möglichkeiten, Ihr Bild horizontal und vertikal in Drittel aufzuteilen. Das geht z.B. mit Tischkanten, Regalen oder anderen Linien im Vorder- oder Hintergrund. So schaffen Sie eine Komposition, die für den Betrachter angenehm ist und harmonisch wirkt. Wenn Sie jetzt noch ein Outfit wählen, das zur ausgeschriebenen Stelle passt und in dem Sie sich wohlfühlen, kann zumindest optisch nichts mehr schiefgehen. Tipp: Vermeiden Sie kleingemusterte oder changierende Kleidungsstücke. Diese können auf dem Bildschirm „flirren“ (Moiré;) .
Einen guten Auftakt finden
Dass Audio-only-Apps wie Clubhouse gerade jetzt einen Hype erfahren, ist sicherlich kein Zufall: Gelegenheiten für Small Talk sind in Zeiten von remote work und home office rar. Informelles Plaudern an der Kaffeemaschine, beim Lunch oder nach einem Meeting fallen momentan weg, genau wie Parallelunterhaltungen, die in einem Raum stattfinden können und eine Office-Atmosphäre schaffen. Im Präsenz-Büroalltag und bei Vor-Ort-Vorstellungsgesprächen passiert Smalltalk oft einfach, etwa zwischen Begrüßung und gemeinsamem Platznehmen. Bei Online-Vorstellungsgesprächen wird lockerer Chitchat oft weggelassen, was schade ist. Denn: Smalltalk ist wie verbales Aufwärmen, gibt beiden Seiten eine erste Beschnüffelungs-Gelegenheit und hilft Ihnen dabei, einen stimmigen, sympathischen Eindruck zu hinterlassen. Offene Fragen funktionieren gut als Gesprächsaufhänger, etwa nach Dingen, die beim Gesprächspartner im Hintergrund zu sehen sind („Ich sehe Sie haben ein Rennrad der Marke XY. Sind Sie zufrieden mit dem Bike?“). Haben Sie keine Angst vor Fragen nach Belanglosem oder Banalen („Hatten Sie ein schönes Wochenende?“, „Sind Sie auch im Homeoffice?“, „Ist bei Ihnen auch so schönes Wetter?“). An dieser Stelle geht es noch nicht um hard facts, sondern darum, einen fluffigen Auftakt zu finden.
Die Antworten-Fragen-Balance halten
Ist das Gespräch erst einmal in Gang, geht es darum, Fragen und Antworten elegant zu jonglieren und die Redezeit ausgeglichen zu verteilen. Eine kurze Selbstpräsentation sollte sitzen, genau wie Antworten auf die gängigsten Personaler-Fragen. Das könnte z.B. sein: „Wieso möchten Sie sich beruflich verändern?“, „Welche besonderen Qualifikationen und Skills bringen Sie mit?“, „Wie reagieren Sie auf Stress?“. Umgekehrt sollten Sie die Situation genauso nutzen, um möglichst viel über die Stelle und das Unternehmen zu erfahren. z.B.: „Warum wird die Stelle frei?“, „Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?“. Oder auch: „Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?“. Beachten Sie, dass es in Videocalls zu kurzen Zeitversetzungen kommen kann und lassen Sie Ihr Gegenüber unbedingt ausreden. Signalisieren Sie, dass Sie das Gespräch ernst nehmen, indem Sie sich zwischendurch kurze Notizen machen.
Im Gespräch präsent sein
Kommunikation passiert in erster Linie nonverbal oder paraverbal: Blickkontakt, Körpersprache, Mimik, Gestik, Sprechtempo und Intonation (das Heben und Senken der Stimme) machen bis zu 80% der Kommunikation zwischen Menschen aus – unabhängig vom Kontext. Eine Bildschirmkamera vermittelt nonverbale Signale weniger intensiv als man es aus One-on-One-Gesprächssituation kennt. Trotzdem „liest“ Ihr Gegenüber Sie ab dem ersten Moment. Achten Sie also auf Ihre Körperhaltung, bringen Sie Ihre Hände in den positiven Bereich, wenn Sie sprechen. Und: Schauen Sie in die Kamera. Die Verlockung, sich selbst oder die anderen Gesprächspartner zu beobachten, lässt sich zwar nicht ganz ausschalten. Dennoch sollten Sie versuchen, immer wieder Blickkontakt zu Ihren Gesprächspartnern aufzubauen. Als kleinen Reminder können Sie ein sich ein Post-it mit Smiley neben die Kamera kleben. Sieht komisch aus, funktioniert aber.
Der Ausklang
Sind alle wichtigen Fragen geklärt? Haben Sie sich ein Bild des Unternehmens und der offenen Stelle verschafft? Konnten Sie Ihrerseits einen guten Eindruck hinterlassen? Dann wird das Gespräch langsam zu einem Ende kommen. Genau wie zu Beginn der Unterhaltung sind hier ein paar Phrasen erlaubt („Vielen Dank für Ihre Zeit“, „Es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen“, „Melden Sie sich gerne, wenn Sie im Nachgang noch Fragen haben“). Erläutern Sie noch die nächsten Schritte („Wie geht es nun weiter?“, „Wie wollen wir verbleiben?“, „Wann sprechen wir uns wieder?“). Und ganz wichtig: Sagen Sie nichts, das mit dem Gespräch zusammenhängt, bevor Sie Kamera und Mikrofon ausgeschaltet haben. Das Interview ist erst vorbei, wenn Ihr Laptop zugeklappt oder die Videocall-App auf Ihrem Computer beendet ist.